die Geschichte von Amira

Stand Januar 2013:

Der Hydrocephalus

Amira hat einen angeborenen Wasserkopf (Hydrocephalus). Bei einem Hydrocephalus funktioniert der Kreislauf des Liquors nicht, es staut sich im Kopf an und führt so zu einem erhöhten Druck in den Gehirnkammern, respektive zu einem Abbau von Gehirngewebe. Die Lebenserwartung eines Hundes mit dieser Erkrankung liegen - je nach Schweregrad - bei ca. 2 Jahren.

 

Mehr zum Thema Hydrocephalus auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Hydrocephalus

Bei Amira war dies aber alles anders

So fielen zwar von Beginn an diverse Kleinigkeiten auf, wiesen aber sicherlich nicht auf diese schwere Erkrankung hin. Amira war z.B. die kleinste, ruhigste und ängstlichste unter den Welpen, schottete sich manchmal ab und sass oft mit hängendem Kopfe da.

Den Züchter kann man keinen Vorwurf machen. Diese Krankheit ist bei Papillons anscheinend noch fast gänzlich unbekannt und wäre zu diesem Zeitpunkt bei Amira nur von einem Spezialisten erkennbar gewesen. Dennoch bleibt natürlich ein "fader Nachgeschmack", da Amira's Krankheit ein eindeutiges Zeichen dafür ist, in welche schlimme Richtung sich die Hundezucht - auch in der Schweiz - entwickelt hat.

 

Die erste Zeit bei uns

Mit 14 Wochen kam Amira dann zu uns. Eigentlich war sie lange Zeit ein normaler Hund...eigentlich... Wären da nicht die vielen kleinen Unterschiede gewesen: Sie wurde nie komplett stubenrein und lernte nur sehr langsam dazu. Trotz guter Sozialisierung in der Welpenphase verhielt sie sich stets absolut unsozialisiert gegenüber anderen Hunden und hatte, resp. hat auch heute noch Angst vor allen ihr unbekannten Wesen.

 

Die ersten Anzeichen

Im Nachhinein würde ich sagen, die Symptome machten sich zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr langsam bemerkbar. Zuerst wollte sie Nachts nicht mehr raus, danach lies die Sehfähigkeit deutlich nach, sodass sie teilweise einfach in Wände oder Gegenstände lief - allerdings nur phasenweise. Sie hatte diverse kleinere Erkrankungen die einzeln gesehen nicht auffällig waren, nur in der Gesamheit darauf hinwiesen, dass gesundheitlich etwas nicht mit ihr stimmt.

Amira begann ohne Vorwarnung zu beissen wenn ihr jemand zu hektisch war, oder sie schlichtweg nicht verstand, was man von ihr wollte. An manchen Tagen schien es, als hätte sie alles Erlernte vergessen. Sie kam nicht mehr, wenn ich nach ihr rief und auch bei ganz einfachen Aufforderungen wie z.B. "sitz" sah sie mich nur entgeistert an. Auch mochte sie immer weniger laufen und ihre körperliche sowie geistige Entwicklung blieb stehen. Optisch wirkt Sie auch heute noch immer wie ein Junghund allerdings mit der Biomechanik eines ganz alten Hundes.

 

Abklärungen

Medizinisch wurde natürlich alles Denkbare abgeklärt. Aber keine Untersuchung und kein Bluttest ergaben einen Hinweis auf ihr Problem. Als es nichts mehr zu testen gab, beschloss ich für mich, alles seltsame, hundeuntypische Verhalten von Amira darauf zurückzuführen, dass sie ein sehr unsicherer Hund ist, der zusätzlich auch noch sehr schlecht sieht und eine geistige Behinderung hat, was z.B. durch Geburtsprobleme auch bei Hunden vorkommen kann. Ich brauchte zu dieser Zeit einfach eine Erklärung und das passte für mich. Zumal uns sowieso niemand weiterhelfen konnte. So lebten wir eine Zeit lang eigentlich sehr gut. Genau gesagt 4.5 Jahre lang.

 

Im zweiten Halbjahr 2010 wurde es mit Amira immer schlimmer

Draussen spazieren gehen war nur noch mit sehr viel Geduld möglich. Amira blieb alle paar Meter stehen, drehte sich im Kreis und lief dann wieder einige Meter. Zu Hause - in der ihr bekannten Umgebung - war sie aber aufgestellt und munter.


Im Herbst hatte Amira dann eine Femurkopfluxation, woraufhin ihr Oberschenkelkopf entfernt werden musste. In der Tierklinik verhielt sich Amira apathisch und ass nichts, erholte sich dann bei uns zu Hause aber erstaunlich schnell und lief wieder viel besser.

 

Der Anfall

Im März 2011 kam dann der grosse Schock: Amira hatte einen starken epileptischen Anfall, war danach weggetreten, hatte praktisch keinen Puls mehr und es dachte eigentlich niemand, dass sie dies überleben würde. Trotzdem fuhren wir in die Tierklinik. Amira war die ganze Fahrt über nicht ansprechbar und - nebst natürlich dem grossen Wunsch sie würde überleben - hoffte ich, dass (sofern es so sein muss) sie noch im Auto stirbt, damit sie den Stress in der Tierklinik nicht mehr über sich ergehen lassen muss.

 

Fünf Meter vor der Klinik dann das "Wunder". Als hätte jemand einen Schalter geklickt war Amira wieder wach. Und zwar hellwach...allerdings für einige Stunden komplett blind. Dies legte sich aber wieder und es schien, als wäre nichts gewesen. Aufgrund Amiras spezieller Geschichte wurde uns empfohlen ein MRI ihres Schädels machen zu lassen.

 

Die endgültige Krankheitsdiagnose

Die Diagnose des MRI's war eindeutig: angeborener Wasserkopf. Normaler Zufluss, verengter Abfluss. Sehr schlechter Zustand ...zumindest sind das die Aussagen, die mir noch in Erinnerung geblieben sind. Zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich was es heisst, wenn einem der Boden unter den Füssen weggezogen wird.

 

Prognose: Lebenserwartung noch einige Monate, wenn wir Glück haben vielleicht ein Jahr - bei sich stetig verschlechterndem physischen und psychischen Zustand.

Behandlung: Cortison oder ableiten des Liquors aus dem Kopf mittels eines Shunts. Überlebenschance auf dem OP-Tisch: 50%. Schmerz, der entseht wenn der Shunt verstopft: unvollstellbar hoch. Womit dies für uns nicht in Frage kam. Also begannen wir mit einer Cortisontherapie - ohne grosse Erwartungen seitens der Ärzte.

 

Das zweite Leben

Aber Amira wäre nicht Amira, wenn sie nicht wieder alle erstaunt hätte. Das Cortison wirkte und in Kombination mit einer speziell auf sie abgestimmter komplementären Therapie blühte Amira immer mehr auf, wurde lebendiger, lief besser und lernte sogar neue Sachen!

 

Unterdessen hatte Amira im Frühling 2012 ihren zweiten Epi-Anfall, welcher aber viel schwächer war als der erste. Sie erhält nun nebst dem Cortison noch Epi-Mittel. Ihr Zustand ist mehrheitlich stabil und verschlechtert sich insgesamt nur ganz, ganz langsam. Was Amira nicht verloren - respektive noch mehr dazugewonnen hat - ist unwahrscheinlich viel Lebensfreude und -wille.

 

Behandlung

Nebst den Medikamenten (Prednisolon und Aphenylbarbit) behandle ich Amira mit Akupressur und wir gehen einmal wöchentlich zu einer Tiertherapeutin mit viel Wissen und Feingefühl. Seit November 2012 erhält Amira zusätzlich noch homöopathische Arzneien, welche von einem sehr erfahrenen Homöopathen extra für Sie zusammengestellt worden sind. Seit da hat sich ihr Gemütszustand nochmals massiv verbessert.

 

Ansonsten versuchen wir, Amira's Leben möglichst stressfrei zu gestalten, da Sie auf zu viele äussere Einflüsse und Veränderungen mit gesundheitlicher Verschlechterung reagiert. Amiras Welt beschränkt sich auf alle die Personen, Hunde und Orte, welche sie in ihrem ersten Lebensjahr kennengelernt hat. Aber dort, in ihrer eigenen Welt, scheint sie glücklich.

 

Einzigartig

Als wir die Diagnose bekommen haben, gab es für mich nichts Wichtigeres als einen anderen Hund zu finden, der auch einen angeborenen Wasserkopf hat und (im optimalsten Falle) noch älter ist als Amira. Leider war durch die Fachpersonen an keine Informationen, ja nicht einmal an Angaben der ungefähr betroffenen Anzahl Hunde heranzukommen.

Ich suchte also im WorldWideWeb nach einer Nadel im Heuhaufen. Einfach nur um zu sehen, dass es noch andere solche "Amira-Wesen" gibt - obwohl Amira uns eigentlich schon so oft bewiesen hat, dass sie absolut aus der Norm fällt und mit nichts und niemandem zu vergleichen ist. Sie ist und bleibt in jeglichen Belangen einzigartig. Die Suche blieb daher auch erfolglos und inzwischen habe ich sie ad acta gelegt.

 

Warum Amira lebt? Ich weiss es nicht...

Vermutlich ist es eine Kombination die hauptsächlich aus ihrem Lebenswillen sowie der optimalen Therapie, medizinischer Betreuung und dem auf sie abgestimmten stressreduzierten Alltag besteht.

 

An dieser Stelle möchte ich mich auch einmal bei all denen bedanken, die sich in guten Zeiten mit uns freuen und die in schlechten Zeiten für uns (zu jeder Tages- und Nachtzeit) da sind!

 

Obwohl das Leben mit einem Wasserkopfhund in jeglicher Hinsicht komplett anders ist als mit einem gesunden Hund, ist Amira ist für mich das grösste Geschenk das ich je erhalten konnte! - und ich bin für jeden Tag dankbar, den wir miteinander verbringen dürfen. 

 

Die Informationen auf dieser Seite beziehen sich alle auf persönlichen Erfahrungen und sind weder medizinisch noch anderweitig fachlich belegt.  

 

 

Kleines Update - Januar bis Dezemer 2013:

Amira geht es - der Krankheit entsprechend - immer noch sehr gut. Geistig gab es praktisch keine Veränderung, und wenn, dann eher im Positiven.  Nur dem Körper sieht man langsam aber sicher das Fortschreiten der Krankheit an  - Amira wird immer dünner und zerbrechlicher.

 

Das Aphenylbarbit konnte Ende August abgesetzt werden. Allerdings wurde Anfang September - aufgrund des jährlichen Bluttestes - festgestellt, dass sie nun zusätzlich eine Schilddrüsenunterfunktion hat, wodurch wieder ein weiteres Medikament (Forthyron) auf die Liste kam.  

 

Von Oktober bis Ende November ging es Amira immer schlechter. Anfangs merkte man es kaum, da es wirklich nur minim und sehr schleichtend schlechter wurde. Wir hatten dafür den Wetterumschwung wie auch die einsetzende Läufigkeit sowie eine leichte Blasenentzündung in Verdacht. Amiras Zustand verschlimmerte sich stetig. Sie wurde  immer müder und dünner und frass immer weniger; war aber in den (kurzen) Wachphasen erstaunlich fit, wenn auch einiges verwirter als sonst. Wir setzen das Aphenylbarbit wieder ein, es brachte aber auch keine Besserung. Ende November sah es dann so aus, als hätte Amiras Körper keine Kraft mehr zu kämpfen.

 

Plötzlich  fiel mir auf, dass alle negativen Entwicklungen einige Wochen nach der Gabe des Forthyrons angefangen hatten. Wir setzten das Medikament sofort ab und seit da geht es stetig bergauf. Auch an Gewicht hat Amira wieder zugelegt. Zwar ist sie immer noch untergewichtig, aber wir hoffen...

 

Ich möchte festhalten, dass ich hier explizit NICHT negativ über Forthyron sprechen will. Unser 14jähriger Groenendael nimmt  dieses Medikament seit Jahren und es geht im viel besser damit - und neben ihm auch noch ganz vielen anderen Hunden. Amira verträgt es anscheinend einfach überhaupt nicht. Allerdings wirken auch andere Medikamente bei ihr komplett anders als im Normalfall. Beispielsweise pusht sie das Aphenylbarbit auf, während die meisten Hunde davon müde werden. 

 

Wie wir bezüglich ihrer Schilddrüsenunterfunktion nun weiterfahren, ist aktuell nicht klar. Die Zeit wird es zeigen. Im Moment ist Amira fit wie schon lange nicht mehr und wir haben neuen Mut gefasst.

 

Die letzten Monate - Januar bis Juli 2014:

Bis am 7. Januar 2014 ging es Amira weiterhin sehr gut. Dann starb ihr grosser Freund Ace, welchen sie tagtäglich um sich hatte, an Altersschwäche. Einen Tag später brach sie plötzlich zusammen, erbrach (was sie sonst nie machte) und verlor komplett den Halt auf ihren Beinen. Keiner wusste genau, was Amira hatte. Die Vermutung lag aber nahe, dass es eine Art  Streifung war.  Amira erholte sich allerdings erstaunlich schnell ... so schien es zumindest.

 

In den darauf folgenden Monaten war es ein ständiges gesundheitliches Auf und Ab... Amira ass immer weniger und nahm entsprechend stark ab. Irgendwann konnte Amira gar nichts mehr essen. Sie wollte zwar, aber es ging einfach nicht. Da dies kein haltbarer Zustand war, beschloss ich, als letzten Versuch, das Cortison zu überdosieren ... und es half! Amira begann noch am selben Tag zu essen... Amira ass wieder gut.  Sehr gut sogar. Ihr Zustand verbesserte sich täglich. Vermutlich auch deswegen, weil wir den Abstand von einer Therapiestunde zur nächsten verkürzten. Das Cortison konnte bald wieder reduziert werden. 

 

Ihr psychischer Zustand sowie ihr Appetit blieben bis zum Schluss sehr gut. Nur nahm Amira einfach nicht mehr an Gewicht zu. Zudem verlor sie langsam aber konstant immer mehr an Kraft und somit auch den Halt  auf ihren Beinen. Die Koordination wurde immer schlechter und die Sehkraft nahm weiter ab. Amira wurde immer schwächer und wirkte um Jahre gealtert bis sie dann am 10. Juli 2014 nicht mehr gegen ihre Krankheit ankämpfen mochte und sanft über die Regenbogenbrücke ging.

 

Die Zeit mit Amira war sehr intensiv, aber viel zu kurz! Die Verbindung die zu einem so stark handicapierten Hund entsteht ist kaum zu beschreiben und es wird lange dauern, bis alle unsere Trängen getrocknet sind. 

 

 

NACHTRAG MÄRZ 2016

Nach allen Erkenntnissen der letzten Jahre (nach Amira's Tod), kann nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden, dass Amira einen "echten" Wasserkopf hatte. Interessierte/Betroffene können sich an N. Massi (Administratorin der Hydrocephalus-Gruppe auf Facebook) wenden. Auch gibt es in Deutschland Hunde die erfolgreich mittels Shunt operiert worden sind. Die obigen Aussagen zur Shunt-OP beziehen sich auf die damaligen Aussagen/Informationen der Schweizer Tierärzte.